Körperliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern
Warum unterschiedliche Leistungen im Sport nicht daran liegen, dass Frauen dumm, unmotiviert, nicht genügend unterstützt oder einfach nur "Opfer" sind.
Nachdem es wegen eines von mir zitierten Papers (von Rob Henderson auf Twitter gepostet) zum Kraftunterschied zwischen Männern und Frauen und der von mir gerne zitierten Seite BoysVsWomen.com - auf der die sportlichen Leistungen von Olympionikinnen mit jenen von männlichen High-School Athleten verglichen werden - auf Twitter zu Ungläubigkeit und Diskussionen kam, dachte ich mir, ich schreibe mal etwas zu körperlichen Unterschieden zwischen Männern und Frauen.
In dem besagten Paper wird behauptet, dass Männer gegenüber Frauen eine um 90% größere Kraft im Oberkörper haben und das somit 99,9% der Frauen weniger Kraft haben, als der durchschnittliche Mann. Da einige in der Twitter-Diskussion Aktive wohl Probleme damit hatten, die Aussage überhaupt zu verstehen, halte ich es für angebracht, dies an einem anderen Beispiel zu veranschaulichen
Es gehört zum intuitiven Wissen, dass Männer im Schnitt größer sind, als Frauen. Hierzu habe ich Daten aus der Studie “Anthropometrische Messungen in der NAKO Gesundheitsstudie – mehr als nur Größe und Gewicht” gefunden, die im Bundesgesundheitsblatt veröffentlicht sind.
Ausweislich dieser Studie wurde festgestellt, dass bei den 44.848 untersuchten Männern die mittlere Körpergröße bei 178,1 cm lang, die der 51.674 untersuchten Frauen lag bei 165,0. Bei den Männern lag die Standardabweichung bei der Körpergröße bei 7,3 cm, bei Frauen bei 6,7 cm. Mit den Daten aus Mittelwert und Standardabweichung können wir uns die Verteilungen der Körpergrößen bei den untersuchten Männern und Frauen grafisch darstellen. Das sieht dann in etwa wie folgt aus (den Code für R habe ich von dieser Seite):
Der Hochpunkt der Verteilung (entspricht dem beobachteten Mittelwert) liegt bei den Damen (hier in Pink) bei 165 cm, die Werte verteilen sich gleichförmig (durch die Standardabweichung beschrieben) zu höheren und zu niedrigeren Werten. Der Hochpunkt der Kurve der Herren (in Blau) liegt bei 178,1 cm und streut mit deren Standardabweichung um diesen Wert.
Da es sich hier um Normalverteilungen handelt, können wir ausrechnen, mit welcher Wahrscheinlichkeit Körpergrößen bis zu einem bestimmten Wert beobachtet werden. Wir können auch bestimmen, welcher Anteil der untersuchten Population unter- oder oberhalb eines bestimmten Wertes oder in einem bestimmten Intervall liegt (siehe z.B. den Artikel zur Normalverteilung in der Wikipedia).
Was erkennen wir nun anhand der Daten und der Grafik? Ausgehend vom Mittelwert der Frauen bei 165 cm und deren Standardabweichung von 6,7 cm sehen wir, dass der Mittelwert der Männer (178,1 cm) fast zwei Standardabweichungen der Damen von deren Mittelwert entfernt liegt (165 + 2 * 6,7 = 178,4). Oberhalb von zwei Standardabweichungen vom Mittelwert entfernt liegen in der Normalverteilung nur 2,5% aller Werte. Das heißt für dieses Beispiel: nur ein klein wenig mehr als 2,5% der untersuchten Frauen sind größer, als der durchschnittliche untersuchte Mann - oder anders formuliert: fast 97,5% der untersuchten Frauen sind kleiner, als der durchschnittliche untersuchte Mann (man könnte das genau ermitteln, aber das spare ich mir hier). Auf Grund der sehr großen Anzahl der untersuchten Frauen und Männer können wir davon ausgehen, dass das nicht so weit von der Wirklichkeit entfernt ist - da wir nicht alle Frauen und alle Männer messen können, müssen wir versuchen, uns der Wirklichkeit möglichst gut anzunähern.
Dies heißt, wie man an den Grafiken sieht, natürlich nicht, dass alle untersuchten Frauen kleiner wären, als ein beliebiger der untersuchten Männer (oder als alle untersuchten Männer). Man sieht an dem Überlappungsbereich der beiden Kurven oben ja sehr gut, dass es durchaus Männer gibt, die 165 cm oder weniger an Körpergröße haben. Das sind aber relativ wenige. Bei den untersuchten Männern liegen 2,5% unter dem Wert von 178,1 - 2 * 7,3 = 163,5. Es gibt also natürlich auch Männer, die kleiner sind, als die durchschnittliche der untersuchten Frau. Und natürlich gibt es auch wenige Frauen, die größer sind, als zum Beispiel 75% der Männer - diese sind aber sehr selten.
Wenn man aus derselben Datenquelle die Körpergewichte heranzieht, sieht das so aus (Frauen in Pink, Männer in Blau).
Auch hier kann man entsprechende Betrachtungen anstellen. Der Mittelwert der Damen liegt bei 71,4 kg, die Standardabweichung bei 15,1 kg. Mit einer Standardabweichung oberhalb des Mittelwerts (darunter liegen etwa 84% aller Frauen) liegt man bei 86,5 kg, was etwas niedriger ist, als der Mittelwert von 87 kg der Männer. Somit sind mindestens 84% der untersuchten Frauen leichter, als der durchschnittliche der untersuchten Männer.
Wenn Männer nun deutlich mehr Muskelmasse haben, als Frauen (wie in diesem Paper argumentiert), dann ist es angesichts der gravierenden Unterschiede hinsichtlich auch der Körpergröße in meinen Augen nicht verwunderlich, dass - wie zu Beginn angeführt - behauptet wird, dass 99,9% der Frauen weniger Kraft haben, als der durchschnittliche Mann.
Ich denke nicht, dass man als Mensch weniger wert ist, nur weil man weniger Kraft hat, als ein anderer Mensch. Insofern halte ich es auch für unproblematisch, auf solche Umstände hinzuweisen.
Was ziehen wir jetzt hieraus? Ist es verwunderlich, dass Frauen im Sport in der Regel nicht so große absolute Leistungen vollbringen, wie die Männer? (Man erinnere sich an BoysVsWomen.com.) Ist es verwunderlich, wenn deutlich mehr Männer Frauen vergewaltigen, als umgekehrt? Die körperliche Überlegenheit spielt hier eine gravierende Rolle!
Man kann vor den körperlichen Unterschieden zwischen Männern und Frauen, die evident sind, die Augen verschließen. Das führt dann zu Aussagen wie z.B. Frauen erbringen im Sport nur deswegen nicht so absolut hohe Leistungen, wie Männer, weil soziale oder sozio-ökonomische Faktoren die Männer begünstigen (z.B. weil den Frauen immer eingeredet würde, sie seien schwächer und weniger leistungsstark). Damit hilft man allerdings niemanden - ganz im Gegenteil: vor der Realität die Augen zu verschließen nimmt meist, wenn nicht immer, ein schlechtes Ende.

Bei aller Toleranz und Offenheit: Manche Diskussionen sind nicht nur eine Beleidigung menschlicher Intelligenz, sondern führen auch zu Risiken und schweren Nebenwirkungen. Nehmen wir mal den Arbeitsschutz: Selbstverständlich müssen da biologische Unterschiede berücksichtigt werden, in Deutschland etwa in der Lastenhandhabungsverordnung (LasthandhabV), Stichwort »Hettinger-Tabelle« (https://www.komnet.nrw.de/_sitetools/dialog/10980). Und bei der »Leitmerkmalmethode« wird ebenfalls eine geschlechtsspezifische Berechnung durchgeführt, denn »[d]iese geschlechtsbezogenen Unterschiede sind im Wesentlichen auf unterschiedliche Körpermaße, physische Leistungsvoraussetzungen, biomechanische Belastbarkeiten und arbeitstechnische Kompensationsmechanismen zurückzuführen.« (https://de.wikipedia.org/wiki/Leitmerkmalmethode).
Eine vergleichbare Diskussion gibt es auch seit Jahrzehnten in der Militärmedizin, wo es um die Anforderungen an Soldatinnen geht. Unbestritten kann man als Frau einiges erreichen, aber ab einem bestimmten Punkt ist Schluss bei bestimmten Leistungsanforderungen. Und es ist gesundheitsgefährdend, das nicht zu berücksichtigen. Auf die Schnelle nur ein Beispiel – Bundeswehr, Soldatinnen haben ein um den Faktor 10 erhöhtes Verletzungsrisiko gegenüber Männern: "Ein anderes Bild ergibt sich aus Maximalkrafttests (Rumpfbeuger, Rumpfstrecker, Armbeuger, Beinstrecker, Greifkraft) der beiden Gruppen: Die Soldatinnen erreichen nur etwa 50 - 70 % der Maximalkraft der Soldaten. Selbst das trainierte Frauenkollektiv liegt bei allen getesteten Muskelgruppen durchweg unter den entsprechenden Werten des männlichen Normalkollektives (p < 0,001). Die gravierend höhere Überlastungsgefahr von Soldatinnen (z. B. beim Marschieren mit Lasten) lässt sich vor allem auf geringere Muskelkräfte von Frauen und anthropometrische Faktoren zurückführen." (https://wehrmed.de/humanmedizin/koerperliche-leistungsfaehigkeit-und-belastbarkeit-von-soldatinnen-ein-kraft-last-dilemma.html).
Nichts davon ist abwertend. Aber ich mit Anfang fünfzig kann trotz Fitness auch nicht mehr die Leistung bringen wie mit Mitte zwanzig. Realitätsleugnung hilft da auch nicht weiter.